Entführter Pater Prem Kumar Alexius wieder frei

Radio Vatikan 22.02.2015

Indien/Afghanistan
Der von den Taliban entführte Pater Prem Kumar Alexius ist wieder frei. Wie der Jesuitenorden im Internet bekannt gab, sei er nach acht Monaten wieder auf freien Fuß gesetzt worden und werde noch an diesem Sonntag in Neu Dehli erwartet. Die Nachricht beruht auf einem Tweet des indischen Premierministers Modi. Bereits im Mai vergangenen Jahres hatten Sicherheitskräfte die vermutlichen Entführer des Jesuiten festgenommen. Pater Prem hatte in der Herat-Provinz als Repräsentant des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes gearbeitet. (pm)

Freude!

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Radio Vatikan 4.03.2015

Afghanistan/Indien: Der entführte Jesuitenpater erzählt

Der Jesuitenpater Alexis Prem war monatelang Geisel in Afghanistan. An neun verschiedenen Orten musste er auf seine Freilassung warten. Am 22. Februar kam er endlich wieder in seinem Heimatland Indien an. 

Pater Alexis Prem Kumar hat während seiner achtmonatigen Geiselnahme in Afghanistan Radio Vatikan gehört, das gab ihn Kraft. Prem stammt aus Indien, lebte seit 2011 in Afghanistan und arbeitete für den Jesuitenflüchtlingsdienst JRS in einem Schulprojekt. Am 2. Juni 2014 wurde er in der Nähe von Herat von bewaffneten Unbekannten gekidnappt. Erst vor wenigen Tagen kam er frei. Im Interview mit Radio Vatikan erzählt er, was am Tag seiner Entführung geschah.
„An diesem Tag hatte ich in zwei Schulen zu tun; um 12.30 Uhr gingen alle Schüler nach Hause, ich wollte noch einiges mit den Lehrern besprechen. Auf einmal tauchte ein Fahrzeug mit vier bewaffneten Männern auf. Wir rannten um unser Leben, aber sie schossen, und binnen zweier Minuten hatten sie mich in ihrer Gewalt. Ich habe mich ihnen praktisch ergeben.“
Die Entführer hätten ihm sofort sein Handy abgenommen und seien dann, mit ihm auf dem Rücksitz, zwei Stunden bis zu einem Dorf gefahren. Er durfte nicht den Kopf heben und wusste somit nicht, wohin die Fahrt ging. Nach einem Gespräch mit dem Anführer der Gruppe versicherte man ihm, dass er sich keine Sorgen machen müsse. Man würde ihn bald freikaufen. Für Pater Prem begann die Gefangenschaft in einem Dorf: Keine schöne Zeit.
„Sie wollten mich fesseln; ich protestierte. Sofort kam jemand mit einem Gewehr und ein anderer Mann mit einem Messer; sie bedrohten mich. Schließlich fesselten sie mir Hände und Füße und verbanden mir die Augen, so blieb das den ganzen Morgen über. Am Nachmittag wurde ich dann an einen anderen Ort gebracht, wo man mich acht Tage lang gefangen hielt.“
Am achten Tag wurde dem Jesuiten mitgeteilt, seine Regierung habe Lösegeld für ihn bezahlt, er sei jetzt ein freier Mann, man werde ihn an einen Ort der Übergabe bringen. Doch anstatt ihn freizulassen, lieferten die Entführer ihn einer anderen Gruppe aus. Bei dieser verbrachte der indische Pater die restliche Zeit seiner Geiselhaft. Ständig wechselte man den Ort – nach seiner Zählung war er an neun verschiedenen Orten. Meistens wurden ihm Hand- und Fußfesseln angelegt, die sich nur mit verschiedenen Schlüsseln öffnen ließen, berichtet Prem.
„Manche der Wärter waren gute Menschen, die mir möglichst gutes Essen zuschoben oder meine Hände ungefesselt ließen; aber einer war wirklich schlimm, der bestand darauf, dass ich die ganze Zeit Handschellen trug und in Ketten gelegt wurde. Für mich war das eine Art Folter. Dieser Wärter war einmal bei einem Gefecht mit Nato-Truppen verwundet worden; er beschimpfte mich manchmal heftig. Geschlagen wurde ich allerdings nie. Das Essen war gar nicht schlecht; die Wärter gaben mir in der Regel dasselbe, was auch sie aßen, manchmal sogar Fleisch. Am Anfang war noch Sommer, da gab es viel Gemüse, aber je näher der Winter rückte, desto seltener wurde das Gemüse. Jedenfalls ließen sie mich nie absichtlich hungern.“
Einmal wurde Prem krank und bat um einen Doktor. „Der kommt morgen“, erhielt er zur Antwort, doch ein Arzt tauchte nie auf. Immerhin pflegte einer der Wärter, der sich laut Prem wirklich gut um ihn kümmerte, ihn wieder gesund. Bis heute weiß der Pater nicht genau, ob seine Kidnapper Taliban waren oder irgendeiner anderen Gruppe angehörten. Sie hätten ihn immer möglichst von Dörfern ferngehalten, in isolierten Häusern oder auch Höhlen versteckt.
„Sie haben mir nie direkt gesagt, warum sie mich gekidnappt hatten. Aber manchmal sagten sie mir: Warum sind Sie überhaupt nach Afghanistan gekommen? Was suchen Sie hier? Das ist unser Land! Und wenn Sie einmal nach Indien zurückkehren, dann halten Sie sich künftig von Afghanistan fern! Wenn Sie hierher zurückkommen, dann erschießen wir Sie! Dadurch wurde klar: Sie wollten einfach keine Ausländer in ihrem Land. Ich vermute, das ist der Grund, weshalb sie mich entführt haben.“
Schon in den ersten Monaten von 2014 hatte Pater Prem, ebenso wie andere Inder in Afghanistan, immer wieder Warnungen erhalten. Er bringt das mit dem damaligen Klima vor den Präsidentenwahlen in Verbindung. Natürlich sei er vorsichtig gewesen; doch habe es in dem Ort, in dem er arbeitete, sicher auch Leute mit Verbindung zu den Taliban gegeben. Es folgten acht Monate Gefangenschaft, ohne Bibel, ohne Fernsehen.
„Drei Stunden pro Tag habe ich normalerweise gebetet; und sie gaben mir ein Radiogerät. Das war wirklich hilfreich: Ich hörte die Sendungen von Radio Vatikan auf Englisch und Tamil, das tat mir wirklich gut; am Sonntag konnte ich die Messe hören. Manchmal bekam ich Radio Vatikan allerdings nur schwer rein, in abgelegenen Gegenden; aber immer, wenn ich es hören konnte, war ich wirklich glücklich – es bedeutete mir viel. In dieser schwierigen Lage hat es mich wirklich getröstet.”
Die Papstbesuche in Sri Lanka und auf den Philippinen in diesem Januar habe er so aus seiner Geiselhaft irgendwo in der afghanischen Provinz mitverfolgt: Das habe ihn auch abgelenkt, so Pater Prem, schließlich habe er sich in dieser Zeit viele Sorgen gemacht.
Im Oktober 2014 habe man ein Video von ihm aufgenommen – das habe seine Hoffnung auf eine baldige Freilassung vergrößert. Das Video war auch für seine Mitbrüder aus dem Jesuitenorden das erste Lebenszeichen seit der Entführung. Heute ist Prem in Indien – würde aber sofort nach Afghanistan zurückkehren, wenn man das von ihm verlangte. Man höre als Jesuit auf seinen Oberen, außerdem fehlten ihm die Leute aus Afghanistan. Er wäre diesmal eben vorsichtig, sagt Pater Prem. Sehr verändert hat ihn die Erfahrung der Geiselhaft nicht, glaubt er – mit einer Ausnahme.
„Ich hatte mehr Zeit zum Beten, als ich gefangen war. Seitdem fühle ich, dass Beten die Welt verändern kann. Beten wirkt Wunder. Das ist für mich ein neues, starkes Gefühl. Und nach meiner Freilassung ist mir klargeworden, dass Tausende von Menschen in aller Welt für mich gebetet haben. Außerdem ist mir in meiner Gefangenschaft ganz anders klargeworden, wie sehr wir von Gott abhängig sind. Und Gott hat mich wirklich geführt und getröstet; ich glaube, ich war ihm in diesen Tagen der Gefangenschaft viel näher.“
(rv 04.03.2015 pdy/sk)

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