Die Freiheit die Fesseln trägt

Die Freiheit die Fesseln trägt

Vor fast zwei Jahren starteten wir ein Experiment: Wir luden ein zu Straßenexerzitien zur Ökumene der Märtyrer.  Wir wollten auf den Straßen Berlin den Spuren der christlichen Märtyrer des Nationalsozialismus nachspüren, und der besonderen Gemeinschaft, die in den Kerkern von Plötzensee entstanden ist.

Unter Mitwirkung von Klaus Mertes SJ, der den damaligen Exerzitien als Begleiter zur Verfügung stand, ist nun in Berlin ein besonderes Kunstwerk entstanden: „Die Freiheit die Fesseln trägt“ weiterlesen

Fortschritte bei der Ökumene in Sicht?

Eine EKD-Delegation bei Papst Franziskus in Rom (Bild: Radio Vatikan)

Die Straßenexerzitien sind eine spirituelle Praxis mit großer Weite. Oft habe ich den Eindruck, bei den Exerzitien sind wir nicht ökumenisch, wir sind „postkonfessionell“: in unserer Praxis sind die konfessionellen Unterschiede eigentlich nicht mehr wichtig.

Die konfessionellen und religiösen Prägungen der Einzelnen – ob katholisch, evangelisch verschiedener Schattierung, freikirchlich oder altkatholisch, auch jüdisch – sie sind als jeweilige Herkunft der Einzelnen spürbar und bereichern das Miteinander, aber wir lassen sie bei den Exerzitien nicht zu trennenden Unterschieden werden. Unendlich viel bedeutender ist das, was uns eint: Die Erfahrungen auf der Straße.  „Fortschritte bei der Ökumene in Sicht?“ weiterlesen

Papstvideo für den interreligiösen Dialog – 6. Januar 2016

Papst Franziskus hat an diesem Dreikönigstag seine erste Videobotschaft zum Heiligen Jahr veröffentlicht. Im Januar geht es beim Gebetsanliegen um den interreligiöser Dialog. Für Papst Franziskus kein unbedeutendes Thema.

„Ich setze mein Vertrauen in Buddha“ – „Ich glaube an Gott“ – „Ich glaube an Jesus Christus“ – „Ich glaube an Gott, Allah“. Das erste Video von Papst Franziskus ist nun online und sein Motto für den Januar ist der interreligiöse Dialog. Ein Rabbiner, eine Buddhistin, ein Priester und eine islamische Führungsperson stehen in dem Video stellvertretend für alle Menschen auf dieser Welt, erklärt Franziskus gut beleuchtet an seinem Schreibtisch. „Der größte Teil der Erdbevölkerung bezeichnet sich als gläubig. Diese Tatsache sollte zu einem Dialog zwischen den Religionen ermuntern. Wir dürfen nicht aufhören, dafür zu beten, und mit denen zusammenzuarbeiten, die anders denken.“  „Papstvideo für den interreligiösen Dialog – 6. Januar 2016“ weiterlesen

Der Briefwechsel zum Reformationsfest

Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Rates der EKD, und Reinhard Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, haben zum Reformationsjubiläum Briefe gewechselt, die für jeden ökumenisch Interessierten spannend zu lesen sind. Sie zeigen einen großen Willen, das Reformationsfest als Christusfest ökumenisch zu begehen, und zeigen einige gemeinsame Vorhaben auf.

Die beiden Briefe finden sich zum Download hier (PDF).

Konkrete Absprachen zu Reformationsgedenken

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz haben konkrete Verabredungen darüber getroffen, wie der 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017 gemeinsam begangen werden soll. Dazu haben der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm und der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, einen ausführlich Briefwechsel geführt, der an diesem Montag vorgestellt wurde.

In den Briefen wird unter anderem vereinbart, am 11. März 2017 in Berlin einen gemeinsamen Versöhnungsgottesdienst zu feiern. Der Gottesdienst soll danach in den Ortsgemeinden „regional nachgefeiert“ werden können. So soll dieses ökumenische Zeichen der Versöhnung zwischen den Konfessionen Breitenwirkung entfalten. In dem Briefwechsel werden noch weitere gemeinsame Veranstaltungen verabredet, darunter auch eine gemeinsame Pilgerfahrt beider Kirchenleitungen ins Heilige Land. .

Bisher war offen geblieben, ob sich die katholische Kirche überhaupt an der Erinnerung an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren beteiligt, da es in der jüngeren Vergangenheit mehrfach auf beiden Seiten zu Irritationen gekommen war. In seinem Brief schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm, die evangelische Kirche beabsichtige „nicht allein alle traditionelle Polemik abzustreifen, sondern alle christlichen Kirchen und Konfessionen zum Mitfeiern einzuladen, selbst wenn sie ein anderes und kritischeres Bild von der Reformation und ihren Wirkungen haben“.

Kardinal Marx antwortet in seinem Schreiben, die katholische Bischofskonferenz sehe „in dieser Einladung einen Ausdruck verlässlicher Beziehungen“. Den evangelischen Begriff des „Reformationsjubiläums“ macht sich Marx aber nicht zu eigen, obwohl die EKD inzwischen selbst den katholischen Begriff des „Reformationsgedenkens“ aufgegriffen hat.
(kna 29.06.2015 sk)

Der Briefwechsel

Videobotschaft des Papstes zur Ökumene war improvisiert

In einem Beitrag auf dem Blog von Radio Vatikan enthüllt Bernd Hagenkord einige Hintergründe der Videobotschaft zur Ökumene, die ich gestern veröffentlich hatte. Anscheinend war die ganze Aktion spontan improvisiert und auf dem iPhone des Gastes aufgenommen.

„Und nun hat ein Papst einen evangelikalen Pfarrer zu Gast, den er aus Argentinien kennt, und der erzählt ihm, dass er zu einer evangelikalen Konferenz in Texas fahre. Der Papst fragt, soll ich dir eine Botschaft mitgeben? Und Bischof Palmer, so hieß der Mann, antwortet „Klar, hier ist mein iPhone, ich zeichne das auf.“ Und dann fährt er – der Vatikan weiß von nichts – in die USA und spielt diesen Kurzfilm bei der Konferenz vor. Bei allen anderen Päpsten wäre das undenkbar, aber mit Franziskus geht das: Ein Evangelikaler wirbt mit dem Papst bei Pfingstkirchen für die Ökumene.“

Auf Youtube findet sich diese Videobotschaft, die anscheinend eine Teilnehmerin der Treffens in Phoenix von der Leinwand abgefilmt hat (Englisch und Spanisch).

Franziskus: Bei der Ökumene nicht auf die Theologen warten

Der damalige EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider 2013 im Gespräch mit Papst Franziskus

 

Die Einheit unter den Christen kann nach Überzeugung von Papst Franziskus nicht durch theologische Debatten entstehen. „Wenn wir glauben, dass die Theologen sich einmal einig werden, werden wir die Einheit nach dem Jüngsten Gericht erreichen“, sagte er in einer Videobotschaft zum „Tag der Christlichen Einheit“ in der US-Diözese Phoenix, deren Text der Vatikan am Sonntag veröffentlichte. „Theologen sind hilfreich, aber am hilfreichsten ist der gute Wille von uns allen, die mit offenen Herzen für den Heiligen Geist auf dem Weg sind“, so Franziskus.

Franziskus trifft mit seinen Worten einen Nerv. Ganz ähnlich hatten wir vor einem halben Jahr in der Ausschreibung zu den Straßenexerzitien zur Ökumene der Märtyrer geschrieben:

„Wir wertschätzen, was ökumenische Gespräche und Dialoge über die vergangenen Jahrzehnte geschaffen haben. Dabei ist viel Kluges gesagt und geschrieben worden. Doch theologische Dispute können auch manchmal mehr trennen als einen“.

Franziskus stellt auch das Zeugnis der (heutigen) Märtyrer ins Zentrum seiner Botschaft von der Einheit:

Der Teufel wisse genau, dass die Christen im Glauben an Jesus Christus bereits vereint und Brüder und Schwestern seien. Deshalb überziehe er sie unterschiedslos mit Verfolgung.
„Ihn kümmert es nicht, ob sie Evangelikale oder Orthodoxe, Lutheraner, Katholiken oder Apostolische Christen sind. Dieses Blut vereint sich. Heute sehen wir die Ökumene des Blutes. Daher müssen wir beten, miteinander sprechen, die Distanzen überwinden und uns immer mehr verbrüdern.“

Quelle: Meldung von Radio Vatikan (deutsch)Originaltext der Ansprache (englisch).

Bonhoeffer und der Katholizismus

Dietrich Bonhoeffer, dessen Tod im KZ Flossenbürg sich heute zum 70. Mal jährt, war ein Protestant mit einem weiten internationalen Horizont. Insbesondere seine Verbindungen in die protestantischen und anglikanischen Kirchen in den USA, England und Skandinavien sind bekannt. Weniger bekannt ist sein Verhältnis zum Katholizismus. Zwei Besuche in Rom haben dabei sein Verständnis von Kirche stark geprägt. Dies berichtet ein Artikel „Dietrich Bonhoeffer im katholischen Rom“ auf der Website des Deutschlandfunks (auch als Radiosendung).

Ein Beitrag zur „Ökumene der Märtyrer„.

Kirchenasyl: Die lebendigste Basisbewegung

Meine Straßenexerzitien haben mich – zufällig – zum Ausländeramt geführt. Menschen, klassifiziert nach Herkunft und Aufenthaltsstatus, wartend in den Korridoren.

Manche Menschen tauchen auf auf den Ämter und der Straße nicht auf – weil sie dort Gefahr laufen, aufgegriffen und abgeschoben zu werden. Wie die Flüchtlinge, die im Kirchenasyl Schutz gesucht haben.

Aktuell lodert dazu eine Debatte auf. Innenminister de Maiziere, Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags, hat die Kirchen scharf angegriffen. Bei einem Treffen mit katholischen Bischöfen sagte er „er lehne Kirchenasyl prinzipiell und fundamental ab“.

Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, hat dazu einen sehr guten Kommentar (LINK) geschrieben in dem es u.a. heisst:

Eigentlich sollten dem Gesetz nach auch hier „Härtefälle“ berücksichtigt werden. In der Praxis ist das nicht so. „Die Durchführung der gesetzlich vorgesehenen humanitären Einzelfallprüfung durch das Bundesamt ist nicht erkennbar“, sagt Stephan Theo Reichel, der im Auftrag der evangelisch-lutherischen Landeskirche seit 1. Oktober 2014 die Kirchenasyle in Bayern hauptamtlich koordiniert. „Vorgelegte Gutachten und Eingaben werden ignoriert, mit allen Mitteln werden Abschiebungen juristisch durchgesetzt.“ Er klagt über Abschiebungen „ohne Prüfung und Rücksichtnahme“ – „nach Bulgarien und Ungarn ins Gefängnis oder nach Italien auf die Straße“.
Das wollen immer mehr Kirchengemeinden verhindern: Sie wollen den Flüchtlingen geben, was der Staat des Grundgesetzes ihnen verweigert – Schutz und Hilfe in bedrohlicher Situation. „Die Hilfe für Flüchtlinge ist als Anliegen tief in vielen unserer Gemeinden verwurzelt. Und das ist auch gut so“, sagte Heinrich Bedford-Strohm der Süddeutschen Zeitung. Und: „Das Kirchenasyl bedroht weder das Recht noch taugt es zu einer Grundsatzdebatte.“
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, sagte der SZ, dass er den Kirchengemeinden dankbar sei, „die sich um die Not von Flüchtlingen kümmern“. Die Gemeinden gingen in aller Regel sehr sorgfältig mit dem Kirchenasyl um. Und die Praxis der zurückliegenden Jahrzehnte zeige, „dass während eines solchen Kirchenasyls fast immer eine bessere und rechtsstaatlich einwandfreie Lösung gefunden werden kann“.

Und weiter heisst es da:

Die Kirchenasyl-Bewegung ist die lebendigste Basisbewegung, die es derzeit in den beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland gibt. Seit 31 Jahren gibt es ein Kirchenasyl in Deutschland, vor 21 Jahren wurde die Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ von evangelischen und katholischen Christen gegründet.
In kaum einer anderen Frage sind Kirchengemeinden so engagiert, in keiner anderen Frage funktioniert Ökumene, die Zusammenarbeit zwischen evangelischen und katholischen Pfarreien so gut. Kirchenasyl ist für sie die Übersetzung des Evangeliums in die Gegenwart. Da steht im Matthäus-Evangelium das Jesus-Wort: „Ich war fremd, und ihr habt mich beherbergt. Ich war verfolgt, und ihr habt mir Schutz gewährt“. Und: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“.

 

Heribert Prantl
Heribert Prantl